Pressemitteilung zur Kundgebung & Demo am 23.6.2013

Am heutigen Sonntag veranstalteten wir, die Gruppe Gewisser Überdruss, ab 10:30 Uhr eine Kundgebung gegenüber der „alten Augenklinik“, wo die städtische Veranstaltung zum Gedenken an die „Mülheimer Bombennacht“ von 1943 stattfand.
Mit etwa 40 Teilnehmer_innen machten wir deutlich, dass ein solches Gedenken nicht losgelöst vom historischen Kontext des Nationalsozialismus abgehalten werden darf. Dabei gab es sowohl Verständnis und Wohlwollen einiger Teilnehmer_innen der Gedenkveranstaltung, die unsere Kritik teilten, als auch negative Reaktionen uns gegenüber. Letztere kamen von wenigen Personen, die lieber nicht mehr an den Nationalsozialismus erinnert werden wollen, aber auch nicht erklären konnten, weshalb sie eine Gedenkveranstaltung besuchen. Unsere Anwesenheit war also keinesfalls unbegründet.
Allerdings konnten wir leider die Einladung der OB Mühlenfeld, uns an der offenen Podiumsdiskussion zu beteiligen nicht wahrnehmen.Hierzu verwehrte und die Polizei den Zugang. Allerdings hatte, laut eines Besuchers, die Podiumsdiskussion gar keinen offenen Charakter, sondern bestand aus vier Zeitzeug_innen auf dem Podium, die vorgefertigte Fragen von Schüler_innen beantworteten. Bemerkenswert finden wir an dieser Veranstaltung, dass die Stadt sich vornimmt, eine Zeitzeug_innenveranstaltung zu veranstalten, dabei es aber versäumt, alle Gruppen von Zeitzeug_innen anzusprechen: Es wurden weder ehemaligen Zwangsarbeiter_innen eingeladen, noch Insass_innen des Arbeitserziehungslagers am Flughafen, keine ehemaligen Inhaftierten, welche die Bombennacht im Freien und nicht von Bunkern geschützt erleben durften.

Um 12:30 Uhr löste sich die Kundgebung auf. Anschließend fand um 13:00 am Synagogenplatz, eine von uns veranstaltete antifaschistische Demonstration gegen Geschichtsrevisionismus und deutsche Opfermythen statt. Die ungefähr 80 Teilnehmer_innen hörten Redebeiträge zu den verschiedenen Orten, welche die Demonstration besuchte. Am Haus Bahnstr. 44 verwiesen wir auf das Schicksal der Familie Meyer und eines von insgesamt neun früheren sog. „Judenhäusern“. Am Mahnmal der Opfer beider Weltkriege wurde in einem Redebeitrag auf die Ursachen der deutschen Opfermythenbildung eingegangen. Der Zug der Demonstration ging weiter zur Straße „An den Sportstätten“, welche mitten auf dem Gelände der ehemaligen Militärkaserne liegt, welche auch die das Gestapo -gefängnis und das ehemalige Kriegsgefangenlager beherbergte .Die Demonstration endete gegen 15 Uhr auf dem Kurt- Schumacher- Platz, wo mit einem Redebeitrag die Rolle der Presse, insbesondere der WAZ, benannt wurde. Der Redebeitrag ist an diese Pressemitteilung angefügt. Hiernach wurde die Versammlung ohne Zwischenfälle aufgelöst.

Noch ein Wort zur Berichterstattung: Die Zeitzeug_innen-Berichte in der WAZ-Serie zur „Bombennacht“ wurde durchweg unkritisch und ohne historischen Kontext veröffentlicht. Ohne die sicherlich traumatisierenden Erlebnisse der Zeitzeug_innen herunter spielen zu wollen, haben wir von Anfang an kritisiert, dass die Veröffentlichungen die Einordnung in den deutschen Faschismus vermissen ließen -als seien die Bomben tatsächlich aus heiterem Himmel gefallen.
Erst am 18.6. änderte sich die Berichterstattung der WAZ teilweise, indem unsere Kritik endlich zur Kenntnis genommen und zitiert wurde. Gleichzeitig wurde dort die Veranstaltung, jedoch nochmals von den städtischen Initiator_innen OB Dagmar Mühlenfeld und Stadtarchivsleiter Dr. Kai Rawe als legitim dargestellt. Beide zeigten sich, im Artikel, von unserer Kritik persönlich verletzt. Darauf können wir nur erstaunt zurück fragen: Warum haben Sie sich nicht über die unhistorischen Veröffentlichungen in der WAZ beschwert,wodurch ihre gesamte Veranstaltung letztlich als unkritisch und geschichtsvergessen gelesen werden musste?

Gerade durch die Aufnahme unserer Kritik – oder auch durch kritischere Artikel wie am 22.6. in der Mülheimer NRZ – und durch das nun um so deutlichere Betonen des historischen Kontextes durch die Veranstalter_innen der städtischen Gedenkveranstaltung, bewerten wir unsere Kampagne als klaren Erfolg. Und damit nicht genug: Die Ausstellungen zu „Widerstand und Verfolgung in Mülheim 1933-1945“ und „Neofaschismus in Deutschland“ im Autonomen Zentrum, in der Auerstr. 51, laufen noch bis zum 30.6. und werden von mehreren Veranstaltungen begleitet. Wir laden alle Interessierten herzlich dazu ein vorbei zu schauen. Weitere Informationen sind unter www.az-muelheim.de zu finden.

Fotos der Veranstaltungen und die gehaltenen Redebeiträge werden in Kürze auf diesem Blog zu finden sein.

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Gegenaktionen und Ausstellung im AZ

MÜLHEIM UND SEINE BOMBEN
Verfasst von: Gruppe “gewisser Überdruss”. Verfasst am: 19.06.2013 – 23:40.

Am 23.03.2013 berichteten wir bereits bei Indymedia über die Vorgänge in Mülheim. Die Stadt Mülheim plant eine Veranstaltung für den 23.06.2013, in der den Opfern der „Bombennacht“, der „größten Katastrophe“ der Stadtgeschichte gedacht werden soll. Anlass ist, dass die Bombardierung Mülheims durch die Royal Air Force am 23.06.2013 70 Jahre her ist. Um bei der Veranstaltung Schüler_innen und Zeitzeug_innen ins Gespräch zu bringen, rief sie zusammen mit der örtlichen WAZ Zeitzeug_innen dazu auf, sich zu melden.

An dem Vorhaben der Stadt entzündete sich relativ schnell Kritik, welche der Stadt eine geschichtsrevisionistische Position unterstellt. Der Aufruf der Stadt, welcher in der WAZ abgedruckt wurde, schafft es, ohne einen einzigen Hinweis auf die Täterschaft der Deutschen einzugehen und festzustellen, dass die Bombardements eine Folge des deutschen Angriffskriegs und der deutschen Barbarei gewesen sind.

Diese Kritik wurde auch der Oberbürgermeister_in und der WAZ mitgeteilt, wobei eine öffentlich wahrnehmbare Reaktion bis zum 18.06.2013 ausblieb.

Die Reaktion

In den Artikeln der WAZ und NRZ vom 18.06.2013 wurde auf unsere Veröffentlichung Bezug genommen. So wurde auch eingestanden, dass der Bombenangriff keine Naturkatastrophe sei. Mülheim war eine Hochburg der nationalsozialistischen Bewegung, und das sieht mittlerweile auch die Mülheimer Stadtspitze so.

Nun könnten wir uns zurück lehnen und sagen, dass unsere Kritik angekommen ist und alles gut sei, aber die Oberbürgermeisterin meint: „Es ist legitim, an die Opfer der Bombennacht zu erinnern.“ (Die Veranstaltung soll um 11 Uhr zunächst mit einer Podiumssdiskussion beginnen, um dann in kleineren Gruppen über einzelne Aspekte zu reden. Hiernach will Frau Mühlenfeld am Hauptfriedhof für die Opfer der „Bombennacht“ einen Kranz niederlegen.

Unsere Aktionen

Wir als Gruppe „Gewisser Überdruss“ fordern dazu auf, sich an den Gegenaktionen zu beteiligen. Wir werden vor Ort eine Kundgebung abhalten, und zwar am 23.06.2013 ab 10:30 Uhr in Mülheim an der Von-Graefe-Str./Ecke Hingbergstr.. Die Kundgebung erreicht ihr fußläufig vom Hauptbahnhof, oder mit der U18 bis zur Haltestelle Christianstr., dann den unteren Ausgang nehmen.

Außerdem werden wir ab 13 Uhr eine antifaschistische Demonstration durchführen. Diese beginnt in der Mülheimer Innenstadt am Synagogenplatz und soll anhand verschiedener Orte aufzeigen, wie alltäglich die Gräueltaten der Deutschen waren. Die Demonstration beginnt mit einer längeren Kundgebung und wird gegen 14 Uhr starten.

Im AZ Mülheim findet im Rahmen der Gegenaktivitäten vom 20. – 30. Juni zwei Ausstellungen zum Thema „Neofaschismus in Deutschland“ und „Widerstand und Verfolgung in Mülheim 1933-1945“ statt. Im Rahmen dieser Ausstellung werden an mehreren Abenden Vorträge und Lesungen gehalten und thematisch passende Filme gezeigt. Die Ausstellung beginnt am 20.06.2013 um 17 Uhr mit einem Rundgang durch die Ausstellung.
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Wir sehen uns auf der Straße und im AZ.

Gruppe „gewisser Überdruss“

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Stichwort: Bombennacht (Kurz Gefasst)

Wir kommen um uns zu beschweren

Am 8.03.2013 erschien im Mülheimer Lokalteil der WAZ der Artikel „Stadt und WAZ suchen Zeitzeugen der Bombennacht vom 23.6.1943“. Im Weiteren beziehen wir uns auf diesen Artikel.
Dieser Text ist die gekürzte Fassung unserer Intervention, die Langfassung ist ebenfalls hier zu finden.

Wir sind der Meinung, dass die „Größte Katastrophe der Mülheimer Geschichte“ nicht aus heiterem Himmel geschehen ist, sondern eine notwendige Intervention der Alliierten war.
Mülheim und seine Einwohner_innen haben sich in der Zeit von 1933 – 1945 in einen gesamtdeutschen Kontext, welcher antisemitisch, nationalistisch und menschenverachtend war, eingereiht und sich an ihm bereitwillig beteiligt.

Wenn man all die Grausamkeiten und die weltweiten Kriegsbemühungen der Deutschen zusammennimmt, fällt es einerseits schwer zu glauben, dass die Mülheimer_innen von all den alltäglichen Katastrophen nichts mitbekommen haben sollen.
Andererseits ist es geschichtsvergessen im Zuge des Bombardements eines nationalsozialistischen Industrie- und Kriegsumschlagplatzes wie Mülheim von der „größten Katastrophe seiner Geschichte“ zu sprechen.

Von einem deutschlandweit gelesenen Blatt wie der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung hätten wir einen besseren, vielseitigeren und ausführlicheren Artikel, als den genannten erwartet. In einer Zeit in der einerseits die meisten Jugendlichen mit dem Begriff Auschwitz schon nichts mehr anfangen können und andererseits das Holocaust Memorial in den USA eine Studie veröffentlicht, nach der von 42.500 Lagern europaweit ausgegangen werden muss, ist es wichtiger denn je die deutsche Geschichte bewusst zu halten.
Mit einer Gedenkveranstaltung zur Bombardierung Mülheims, wird das genaue Gegenteil, nämlich ein weiteres Vergessen und Verdrängen der Geschichte hochgehalten.
Aus Geschichte zu lernen muss bedeuten, gerade Schüler_innen ein vollständiges Bild zu vermitteln und nicht Opfermythen aufrechtzuerhalten, indem man das Bombardement frei von Kontext darstellt und betrauert.
Dieser Opfermythos wurde bereits wiederholt, auch im Kontext des jährlichen Neonaziaufmarsches in Dresden, als solcher entlarvt. Eine Legendenbildung wie die vom unschuldigen Mülheim sorgt für eine Umkehr des Täter-Opfer-Verhältnisses und für eine grundsätzliche Anschlussfähigkeit zu Neonazis.
Uns geht es nicht um eine „Verbesserung“ des Vorhabens der Stadt, sondern darum, dieses als Ganzes abzulehnen. Die Basis für eine auch nur im Ansatz sinnvolle und ausgeglichene Veranstaltung ist alleine mit dieser Veröffentlichung bereits entzogen worden.

„Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“
Theodor W. Adorno – Erziehung nach Auschwitz

Gruppe „Gewisser Überdruss“

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Lasst uns gemeinsam überdrüssig sein

Sie befinden sich auf der Seite der Gruppe Gewisser Überdruss, gegen das Vergessen und deutsche Zustände.

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